Wie man besser kritisch denkt
- Susanne Bauer
- 15. Mai
- 7 Min. Lesezeit
Eine Nachlese zum Workshop „Raus aus dem Denkrahmen – kritisch und kreativ neue Wege finden“

Anfang April 2025 hatte ich das große Vergnügen, meinen neuen Ladies4Future-Workshop zu kritischem und kreativem Denken als Pilot-Workshop durchzuführen. Wir haben uns vorgenommen, alle neuen Formate zuerst zu pilotieren, bevor wir sie als Standardtraining in unser Ladies4Future Programm aufnehmen. Das war sehr hilfreich für mich als Trainerin: So konnte ich die wichtigsten Sequenzen im geschützten Rahmen ausprobieren, überprüfen, ob mein Lernversprechen hält, und wertvolles Feedback von den Teilnehmerinnen mitnehmen. Mit Hilfe des Feedbacks ist das Training nun „rund“. Einiges lasse ich weg, dafür hat anderes mehr Platz. Nachdem es viele interaktive Elemente gibt, die man selbst erleben sollte, und die ich hier nicht gut beschreiben kann, beschränke ich mich in dieser Nachlese auf die wichtigsten inhaltlichen Punkte zum Thema „kritisches Denken“ und ergänze noch ein paar Informationen, die so im Workshop nicht zur Sprache kamen.
Was ist kritisches Denken – und was nicht?
Kritisches Denken schützt uns nicht nur vor Fake News und manipulativen Aussagen, es schützt uns auch vor uns selbst. Denn nicht alles, was wir denken, ist automatisch wahr, logisch oder hilfreich. Unser Verstand produziert täglich viele Gedanken, Urteile und Annahmen – viele davon unbewusst oder voreingenommen. Wer kritisch denkt, übernimmt Verantwortung für die Qualität dieses inneren Dialogs.
Kritisches Denken bedeutet, nicht blind dem zu folgen, was wir denken, sondern unser eigenes Denken zu hinterfragen. In einer Welt voller Informationen ist diese Fähigkeit entscheidend, um nicht auf Unsinn hereinzufallen, egal ob er von außen kommt oder aus dem eigenen Kopf. Es geht darum, innezuhalten und sich zu fragen: „Woher weiß ich das?“ – „Ist das wirklich so?“ – „Was spricht dagegen?“
Kritisches Denken wird oft mit Bekritteln oder negativer Bewertung verwechselt. Doch es geht nicht darum, ständig an allem herumzunörgeln oder grundsätzlich dagegen zu sein. Im Kern bedeutet kritisches Denken: unterscheiden können – zwischen Fakt und Meinung, zwischen soliden Argumenten und bloßen Behauptungen, zwischen dem, was wir gerne glauben würden, und dem, was wirklich gut begründet ist. Der Begriff stammt vom griechischen krinein, was so viel heißt wie „(unter)scheiden, urteilen, trennen“.
Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie lesen in den Nachrichten, dass Kaffee das Leben verlängert. Klingt erstmal super, vor allem, wenn Sie Kaffee mögen. Doch ein kritisch denkender Mensch fragt sich: Wer hat das herausgefunden? In welcher Studie? Wurde die Studie von einem Kaffeeproduzenten finanziert? Und noch wichtiger: Was heißt das genau und was bedeutet das konkret für mich? Reicht ein Espresso oder brauche ich zehn Tassen am Tag? Kritisches Denken bedeutet hier nicht, Kaffee schlechtzureden, sondern sorgfältig zu hinterfragen und zwischen Information und Interpretation zu unterscheiden.
Auch im Alltag spielt sich kritisches Denken oft im Kleinen ab: Wenn Sie sich zum Beispiel sagen: „Ich bin zu blöd für Mathematik.“, ist das ein Gedanke, den Sie auch kritisch prüfen könnten. Stimmt das wirklich? Oder basiert diese Überzeugung auf einer schlechten Erfahrung in der Schule – und hat sich inzwischen einfach verselbstständigt?
Es ist ein aktiver Prozess, kein automatischer Reflex, und eine Fähigkeit, die Übung braucht. Dabei geht es nicht nur um das Ergebnis, sondern um den Denkprozess selbst, darum, wie wir zu Urteilen kommen, nicht nur zu welchen.
Warum kritisches Denken Ihr Leben verbessern kann
Kritisches Denken ist kein theoretisches Konzept für Expertinnen und Experten oder Intellektuelle, es ist eine alltagstaugliche Fähigkeit, die jeder Mensch brauchen und lernen kann. Denn wie Sie denken beeinflusst, wie Sie Entscheidungen treffen, wie Sie Probleme lösen und wie Sie mit anderen kommunizieren.
Nehmen wir ein Beispiel aus dem Berufsleben: Sie bekommen ein Angebot für eine neue Stelle mit höherem Gehalt, aber unklaren Entwicklungsmöglichkeiten. Ohne kritisches Denken entscheiden Sie sich vielleicht impulsiv, weil das Gehalt lockt oder weil Sie sich im Job gerade ärgern. Ein reflektierter Denkprozess hingegen würde Sie fragen lassen: Was bedeutet das für meine langfristigen Ziele? Welche Informationen fehlen mir noch? Was sagt mein Gefühl – und warum? Vielleicht führt genau dieses kritische Hinterfragen zu einer besseren Entscheidung, die nicht nur mehr Geld bringt, sondern Sie auch erfüllt.
Bevor Sie weiterlesen, können Sie die Gelegenheit nutzen und Ihr kritisches Denken üben: Stimmt es wirklich, was die Autorin behauptet? Verbessert kritisches Denken tatsächlich mein Leben? Ist die oben angeführte Argumentation vollständig, schlüssig und glaubwürdig?
Kritisches Denken hilft:
Klarer zu sehen, bevor man handelt
Manipulationen zu erkennen (nicht alles glauben zu müssen, was gesagt – oder gedacht – wird)
Blinde Flecken aufzudecken
Komplexe Probleme kreativ zu lösen
Gespräche auf eine tiefere Ebene zu bringen
Und: Verantwortung für das eigene Denken zu übernehmen
Nicht zuletzt ist kritisches Denken auch eine Voraussetzung für eine lebendige Demokratie. Wer sich eine eigene Meinung bilden, gut begründete Entscheidungen treffen und mit anderen respektvoll streiten kann, trägt aktiv zu einer offenen, freien Gesellschaft bei.
Gemeinsam kritisch denken
Kritisches Denken ist nicht nur eine Einzelleistung. Im Gegenteil: Wir denken besser, wenn wir es gemeinsam tun, denn beim Hinterfragen und Reflektieren brauchen wir andere.
Unsere eigenen Überzeugungen nehmen wir oft als selbstverständlich wahr. Wir übersehen Schwächen in unseren Argumenten, weil sie sich für uns logisch anfühlen – selbst dann, wenn sie es objektiv nicht sind. Ganz anders ist es, wenn wir die Argumente anderer hören: Plötzlich fallen uns Widersprüche, Lücken oder unklare Begriffe auf.
Allerdings funktioniert gemeinsames kritisches Denken nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind:
Es braucht eine Kultur der Wertschätzung und des Respekts, in der Widerspruch erlaubt und erwünscht ist.
Kritik darf nicht als persönlicher Angriff verstanden werden, sondern als Möglichkeit, gemeinsam zu besseren Lösungen zu kommen.
Besonders wirkungsvoll sind transaktive Gespräche – also solche, in denen Menschen nicht nur ihre Meinung sagen, sondern aktiv auf die Argumente der anderen eingehen, sie weiterdenken und gemeinsam an einer differenzierteren Sicht arbeiten.
Natürlich gibt es auch Risiken im Gruppendenken: Meinungsblasen, Gruppenzwang oder kollektive Voreingenommenheit. Deshalb ist es wichtig, sich in Gruppen nicht nur gegenseitig zu bestätigen, sondern einander auch zu widersprechen, mit Respekt, Neugier und Offenheit.
Kritisches Denken kann man üben
Kritisches Denken ist wie ein Muskel – je öfter man ihn benutzt, desto stärker wird er. Und wie beim Sport ist es oft eine Frage kleiner, aber regelmäßiger Übungen. Hier einige Inspirationen, wie Sie das kritische Denken stärken können:
Skeptisch sein – aber ausgewogen
Kritisches Denken heißt nicht, grundsätzlich alles zu bezweifeln. Es heißt, gezielt zu hinterfragen, auch (und gerade) bei Dingen, die Ihnen sofort einleuchten oder mit denen Sie spontan einverstanden sind. Wenn Sie etwas lesen oder hören, dem Sie sofort zustimmen, nehmen Sie sich einen Moment Zeit und fragen Sie sich: „Stimmt das wirklich oder gefällt mir das einfach?“ Und umgekehrt: Wenn Sie eine Aussage ärgert oder irritiert, versuchen Sie einmal, nicht sofort zu urteilen, sondern neugierig zu bleiben: „Was genau stört mich? Und könnte trotzdem etwas dran sein?“
Stärken und Schwächen auf beiden Seiten suchen
Oft suchen wir nur Belege dafür, dass wir recht haben und ignorieren Gegenargumente. Wenn Sie stattdessen aktiv nach Schwächen in Ihrer Lieblingsposition suchen und nach Stärken in der Gegenposition, wirken Sie dem sogenannten „Confirmation Bias“ entgegen. Hilfreiche Fragen: Was könnte jemand mit einer anderen Sichtweise an meiner Meinung kritisieren? Und was wäre ein Argument, das mich selbst ins Nachdenken bringt?
Raus aus der Bubble
Je einseitiger unsere Informationsquellen, desto verzerrter wird unser Weltbild. Kritisches Denken braucht Reibung. Lesen Sie daher gezielt Quellen, die Ihre Perspektive herausfordern oder diskutieren Sie mit Menschen, die anders denken als Sie. Nicht um sie zu überzeugen, sondern um besser zu verstehen.
Quellen hinterfragen
Nicht nur was gesagt wird, ist entscheidend, sondern auch wer es sagt und warum.Stellen Sie sich regelmäßig diese Fragen: Woher kommt diese Information? Was könnte die Absicht der Quelle sein? Wie reagiere ich emotional – und warum?
Fakten von Interpretation trennen
Viele Missverständnisse entstehen, weil wir Interpretationen für Tatsachen halten. Wenn Sie eine Aussage lesen oder hören, fragen Sie sich: Was ist hier wirklich Fakt und was ist eine Bewertung, Annahme oder Meinung?
Bewusst die Perspektive wechseln
Versuchen Sie einmal, eine Ihnen fremde oder sogar unangenehme Sichtweise von innen heraus zu verstehen, ohne sofort zu urteilen. Argumentieren Sie für eine Position, der Sie normalerweise widersprechen würden, so fair und nachvollziehbar wie möglich.
Das Ego zurückstellen
Einer der wichtigsten Bausteine kritischen Denkens ist die Bereitschaft, die eigene Meinung zu ändern. Erkennen Sie an, dass auch Sie sich irren und nicht alles wissen können. Das ist keine Schwäche, sondern der Anfang von echtem Lernen.
Kritisch zu denken heißt nicht, immer recht zu haben. Es heißt, den Mut zu haben, die eigene Sichtweise zu hinterfragen, sich nicht mit einfachen Antworten zufriedenzugeben – und offen dafür zu sein, dazuzulernen. Gerade in einer Welt voller schneller Meinungen, starker Gefühle und lauter Stimmen ist das eine echte Stärke.
Kritisches Denken ist die Voraussetzung für kreatives Denken
Diese Stärke hilft auch beim kreativen Denkprozess. Nämlich schon bevor es darum geht, Ideen zu kreieren. Zuerst müssen Sie dem Problem einen Rahmen geben, indem Sie z.B. folgende Fragen beantworten: Für welches Problem brauchen wir kreative Lösungen? Wie stellt sich dieses Problem dar? Auf welcher Ebene wollen wir das Problem lösen? Was soll nachher anders sein?
Haben Sie es bemerkt? Für die Beantwortung dieser Fragen muss man ganz heftig kritisch denken. Danach aber kann man endlich der Kreativität freien Lauf lassen: Ideen spinnen, coole Kreativitätstechniken anwenden, bunte Farben und ungewöhnliche Materialien verwenden, etc. Im Idealfall bekommt man viele unterschiedliche Ideen und kann aus der Fülle wählen. Doch Halt – hier brauchen wir schon wieder das kritische Denken, und zwar für die Bewertung der Ideen und die Auswahl der passenden Lösung. Im Kreativprozess gehen kritisches und kreatives Denken Hand in Hand – und genau das braucht es, um raus zu kommen aus dem eigenen Denkrahmen.
Wenn Sie mehr darüber lernen und selbst erleben wollen, wie man kritisch und kreativ neue Wege gehen kann, dann melden Sie sich zum Workshop „Raus aus dem Denkrahmen“ an oder kontaktieren Sie mich unter office@ladies4future.com.
Nächster Termin für ein offenes Training "Raus aus dem Denkrahmen - Kritisch und kreativ neue Wege finden" am 15. und 16. Oktober 2025 in Wien. Hier gehts zur Anmeldung.
Für firmeninterne Durchführung bitte um Kontaktaufnahme: office@ladies4future.com
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