Ein Blogartikel von Gabi Preßlinger-Bukovica und Doris Regele
Einander gut zu kennen erleichtert das gemeinsame Tun und Arbeiten. Die Frage für unseren heutigen Blog ist: Wie gelingt’s im Rahmen von virtueller Arbeit?

Für international tätige Organisationen oder Menschen, die abteilungs- oder standortübergreifend virtuell arbeiten, ist diese Form der Zusammenarbeit inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Und auch die Option Homeoffice wird nicht verschwinden, selbst wenn derzeit einige Chefs - von Chefinnen ist uns nichts bekannt - die Büroarbeit vehement einfordern oder sogar per Dekret anordnen. Also sowieso schon alles „im Laufen”?
Nicht ganz, denn: „Unter Remote Work leidet der Zusammenhalt im Team", fasst Nicholas Bloom, Professor an der kalifornischen Stanford University, die Ergebnisse der bisher größten Studie über Arbeit im Remote Modus (Juni 2024) zusammen. Sechs Monate lang haben er und sein Team mehr als 1600 Beschäftigte, davon 400 Führungskräfte, eines Online-Reisebüros begleitet. Bloom betont die Wichtigkeit von regelmäßigen physischen Zusammenkünften, die in der Empfehlung mündet, drei Tage der Arbeitswoche gemeinsam im Büro zu verbringen. Wir ergänzen: darunter auch feste Tage, an denen ALLE Teammitglieder da sind, und diese Zeit fürs Miteinander nutzen. Doch starten wir mit der Frage: Wie kann man ein virtuelles Miteinander stärken?
Remote-Togetherness braucht Ideen und den passenden Rahmen
Remote-Togetherness wird erleichtert, wenn Teams mit Kreativität und Freude an die Sache herangehen, z.B. mit der Frage: Welche neuen Orte der Begegnung und vor allem welche neuen Wege können wir dazu nutzen, wenn Flur und Kaffeemaschine wegfallen?
Virtuelle Räume und Meetings so attraktiv wie möglich gestalten - zumindest zeitweise sollten ALLE die Kamera einschalten. Dazu noch mehr später im Blog.
Remote Regelmeetings auch für eine Reflexionsfrage zum Team nützen; z.B. am Beginn die Frage: Was hat letzte Woche gut funktioniert?
Je mehr remote gearbeitet wird, desto mehr Transparenz braucht es - z.B. Transparenz über die Erreichbarkeit der einzelnen Teammitglieder mit Vereinbarung von fixen Zeiten oder Nutzung eines virtuellen Team Kalenders.
Ein weiteres Ergebnis aus Nicholas Bloom´s Studie richtet den Blick auf neue Teammitglieder: Onboarding, jedenfalls in Präsenz, ist seine Empfehlung, um Kolleginnen und Kollegen „wirklich” kennenzulernen. Die persönliche Begegnung macht den Aufbau von Netzwerken möglich und eröffnet Wege, sich Wissen anzueignen und sprichwörtlich „abzuschauen”. Das gilt übrigens auch für junge bzw. neu ernannte Führungspersonen. Dazu planen wir, einen eigenen Blog zu veröffentlichen.
Wenn zusätzliche bzw. regelmäßige physische Treffen im Büro möglich sind, hier ein paar Anregungen:
Anreize für gemeinsame Treffen im Büro finden
Die Büro-Arbeitsumgebung attraktiv gestalten
Rückzugsmöglichkeiten für ungestörtes Arbeiten schaffen oder sich nehmen
und viele weitere Ideen abhängig von Kreativität, gegebenem Rahmen und Möglichkeiten der Teams 🙂
Umgesetzte Team-Ideen aus der Praxis:
Ein uns bekanntes Unternehmen hat - lange vor der Corona Pandemie - mittels Online-Konferenz-Tools ein virtuelles Office eingerichtet, das den ganzen Tag geöffnet ist. Unterschiedliche Teams haben ihre eigenen Meetingräume eingerichtet und für Besprechungen oder große Meetings werden fix eingerichtete virtuelle Konferenzräume genutzt. Wer online erreichbar sein will, setzt sich alleine in einen Arbeitsraum und kann so jederzeit gefunden werden. Auch die schnelle Frage über den Schreibtisch wird so wieder möglich. So entstand ein virtuelles Abbild des Büros, das einen neuen Rahmen für Begegnungen und Zusammenarbeit bildet.
Ein anderes Unternehmen bietet jeden Freitag ein virtuelles Lernformat an. Es werden interne und externe Experten eingeladen, über ein Thema zu sprechen und anschließend gibt es Diskussionsmöglichkeit und Austausch. Teilnehmen können alle Mitarbeitenden. Ein weiteres Unternehmen bietet solch ein Format einmal pro Monat Dienstags während der Mittagspause an. Mit einem vorgegebenen Thema hat man immer Gesprächsstoff und einen guten Grund, teilzunehmen.
Meist braucht es gar nicht so einen großen Rahmen, um mehr Teamgefühl zu erzeugen. Wir kennen immer mehr Teams mit einem fixen Ritual, dass sie sich zu Meeting-Beginn ein paar Minuten Zeit nehmen, eine zufällige oder ausgewählte persönliche Frage zu stellen. Die Frage wird gestellt und reihum kurz geantwortet. Bei größeren Teams kann man die Gruppe auch aufteilen. Zum Einstieg empfehlen sich Fragen wie: “Was hat dich heute gefreut?”, “Worauf bist du stolz in deiner Arbeit?”, “Was wünscht du dir von deinen Kolleginnen und Kollegen für eine gute Zusammenarbeit?”. Zusätzlich oder alternativ kann am Ende jedes Meetings eine kurze Abschlussrunde eingeführt werden. So lernen sich die Teammitglieder Schritt für Schritt besser kennen.
Idealerweise treffen Teammitglieder einander auch in der realen Welt - und nicht jedes Team kann das an den drei von Bloom empfohlenen Tagen tun. Was also tun, wenn zu viele lieber im Homeoffice bleiben wollen?
Umgesetzte Team-Ideen aus der Praxis:
Gemeinsame Mahlzeiten | Frühstücke, Mittagessen oder vielleicht auch außergewöhnliches, wie wir das bei einem Münchner Unternehmen kennengelernt haben: Leberkäs´-Parties !
Gemeinsam aktiv sein | Wuzzler-Challenges, Eisstockschießen oder Kegeln gehen.
Gemeinsame Ideen schmieden | 1x pro Monat ins Innovation-Lab des Unternehmens.
Hochbeet auf der Dachterrasse | Gemeinsames Bewirtschaften. Vielleicht gibt's dann ja auch einmal Snack-Gemüse zum Leberkäs´ 😁
Gemeinsame Arbeit und Freizeit | Schräg? Hier ein ganz anderer Ansatz, den wir bei einem Kunden kennengelernt haben: der Leiter eines Teams, das über die ganze Welt verstreut arbeitet, hat herausgefunden, dass für sein Team 5 Tage in einem gemieteten Haus die beste Lösung für das gegenseitige Kennenlernen und gute Zusammenarbeit ist.
Wenn Teams ihre eigenen Lösungen finden wollen
Die oben genannten Beispiele sind Ergebnisse eines Prozesses der Abstimmung von dem, was Teams brauchen bzw. wollen und dem, was in der sie umgebenden Organisation mit ihren Strukturen und Prozessen möglich ist. Damit Teams ihre volle Kraft entwickeln können, kommt es idealerweise zu gemeinsamen Lern- und Entwicklungsprozessen - also auch in der umgebenden Organisation.
Gruppendynamik und viele andere wissenschaftliche Disziplinen geben Anregungen, worauf hier besonders geachtet werden sollte:
Verbundenheit
Die Wissenschaft hat gezeigt, dass Beziehungen nicht nur für das Überleben, sondern auch für unser Gefühl von Verbundenheit von entscheidender Bedeutung sind.
Mit kleinen Gesten und Aktionen können unsere Beziehungen - auch mit uns selbst - am Arbeitsplatz zelebriert und gestärkt werden - warum also nicht auch im remote Arbeitsumfeld. Ganz besonders dann finden wir es wesentlich, den Fokus darauf auszurichten.
Zur Inspiration ein paar konkrete Aktionen (1) für jeden Tag:
Schätze die guten Eigenschaften von einem Kollegen - und drücke ihm die Wertschätzung auch aus, mit Worten oder Handlungen.
Sei freundlich zu jemandem, den du gerne kritisieren würdest.
Zeige aktiv Interesse und stelle Fragen in einem Pausengespräch.
Schicke jemandem eine motivierende Nachricht.
Teile etwas mit deinem Team, das du inspirierend oder amüsant findest.
Biete jemandem aus der Gruppe Hilfe an, der Probleme hat. (2)
Positive Beziehungen
Im P.E.R.M.A. Modell der Positiven Psychologie ist für die Togetherness das „R“ (Relationships) besonders spannend und kann sowohl Team als auch Führungskraft zur Entwicklung, Erhaltung und Steigerung von positiven Beziehungen beitragen. (3) Bedingt durch den Fokus der Positiven Psychologie auf die Relevanz von Beziehungen, bekam gerade in den letzten Jahren das Thema “Positive Beziehungen" im Arbeitsumfeld stärkere Aufmerksamkeit.
Dr. Markus Ebner hat in seiner Forschungsarbeit drei relevante Faktoren identifiziert, die für positive Arbeitsbeziehungen nachweislich wichtig sind (4):
Vertrauen
Teamwork ohne Vertrauen ist wie ein Rezept ohne Zutaten. Kommt dir bekannt vor? Genau! Das waren Titel und Thema unseres letzten Blogartikels hier, auf den wir an dieser Stelle gern verweisen.
Regelmäßige Interaktionen: Gemeinsam etwas Gutes tun bringt´s!
Wie wäre es mit einem Kochabend in einer sozialen Einrichtung? Selbst erlebt bei einem Kreditinstitut in Wien, in dem eine der Ladies4Future einmal angestellt war und in der sich jährlich eine Gruppe Freiwilliger fand, die dann in die “Gruft” (5) gingen, um obdachlosen Menschen, die dort Schutz, Wärme und Hygiene suchen, ein warmes Mittagessen zuzubereiten. Es ist nicht so, dass sie dort kein Mittagessen bekommen würden, das Team der Wiener Gruft kocht dort täglich frisch (!), doch dass sich hier tatsächlich “Büromenschen”, die einer regulären Arbeit nachgehen, in ihrer Freizeit hinstellen und unbezahlt Kartoffel schälen und Fleischlaibchen formen und mit ihnen das Tischgespräch suchen, das hat nicht nur vor Ort für so manche fragende Gesichter und energisches Nachfragen (“ihr seid´s wirklich von einer Bank?”) gesorgt, sondern auch das Bank-Team zusammengeschweißt. Danach schöne Erinnerungen und allein durch das begeisterte Erzählen über das Erlebte haben sich viele andere Kolleg:innen für den nächsten Einsatz für die gute Sache gemeldet, weil sie das auch einmal erleben wollten.
Eine große Versicherung wiederum gestaltet jährlich “Community Days”, in denen Mitarbeitende entscheiden können, welche vorher ausgewählten Hilfsorganisationen sie für 4 oder 8 Stunden “hands on” unterstützen. Von diesem kreativen und begeisterten Einsatz konnte z.B. Make-A-Wish Österreich schon öfter profitieren und Sponsoring- und Umsetzungsideen für die Erfüllung von Herzenswünschen schwerst kranker Kinder mit einer Gruppe hochmotivierter Mitarbeitenden entwickeln.
Gemeinsame Normen
Nebst der Rollenklarheit braucht es noch etwas, damit in der Zusammenarbeit auch remote dann so wirklich alles klar ist. Es wird notwendig sein, recht frühzeitig im Prozess gemeinsam Übereinkunft zum “Wie tun wir eigentlich miteinander” zu treffen, d.h. Regeln zu vereinbaren. Wichtige Fragen zum Thema Erreichbarkeit sollten nicht unbeantwortet bleiben. Wie kann ich wen wann wieder kontaktieren, wenn ich eine dringende Frage habe und meinen Gesprächspartner nicht beim ersten Versuch erreichen kann? Wenn der Umgang damit unklar, etwas zu laissez-faire gehandhabt wird (weil vielleicht einfach nie Vereinbarung darüber getroffen wurde und somit im Raum stehen bleibt), muss das (spätestens dann) von Führungskraft und Teammitgliedern gleichermaßen offen hinterfragt und angesprochen werden können.
Darüber sprechen und fragen macht Klarheit. Und wer bessere Meetings machen möchte, kann viel dafür tun. Sehr schlüssige und praxisorientierte Antworten auf einen “Evergreen” im Zusammenhang mit Remote Meetings lieferte unlängst eine Studie der Universität Wien, wonach 12 Prozent der Befragten ihre Kamera nie verwenden. Nach den Gründen gefragt, wieso die Kamera bei anderen Befragten sehr wohl verwendet wird, zeigt sich, dass ein Drittel der Befragten bereits eine Vereinbarung über die Kameraverwendung im Team getroffen hat. Und es auch ok ist, wenn diese Vereinbarung nicht einheitlich (alle haben Kamera an oder aus), solange sie von Meeting zu Meeting dieselbe Vereinbarung für alle darstellt und somit über die Zeit dann auch zur Norm wird. (6)
Fazit: Nähe trotz Distanz
Remote Teams stehen vor der großen Herausforderung, sowohl ein emotionales als auch physisches Gespür für Situationen zu entwickeln, in denen dazu meist nur Geschriebenes und Stimme zur Verfügung stehen, also die Sinne auf Sehen und Hören eingeschränkt sind. Die Suche nach passenden Teamlösungen sollte auch eine Frageliste beinhalten, wie z.B. Wie entscheiden wir strategische bzw. praktische Alltagsfragen? Wo holt man sich Feedback? Und wann am Besten ? (Wo) findet ein Dialog statt, in dem auch Schwieriges oder bisher nicht Ausgesprochenes für alle spürbar wird?
Aus unserer Sicht ist die psychologische Sicherheit eine wesentliche Grundlage für Nähe trotz Distanz. Und damit psychologische Sicherheit kein Buzzwort bleibt, werfen wir im nächsten Blog-Artikel einen Blick darauf, was wirklich dahinter steckt.
(1) Quelle: Der "Friendly February" Monatskalender von Action for Happiness, https://actionforhappiness.org/sites/default/files/Feb%202025%20German.jpg. Die Kalender werden monatlich auf der Englischen Seite der Bewegung veröffentlicht und sind zu einer beliebten Ressource geworden. Sie können auch dir als Inspiration dienen, kleine Gewohnheiten für ein gutes Miteinander zu entwickeln. Es gibt den Kalender in vielen Sprachen von Arabisch bis Ukrainisch und auch eine barrierefreie Version haben wir entdeckt. https://actionforhappiness.org/calendar
(2) “In einem Team, in dem gegenseitige Unterstützung einen hohen Stellenwert hat, werden neue Mitarbeiter daraus eher einen Standard entwickeln als in einem Team, in dem konkurrierendes Verhalten im Vordergrund steht.”, Markus Ebner
(3) Relationships als einer der 5 Faktoren des P.E.R.M.A. Modells, der Menschen und Organisationen zum Aufblühen bringt. P.E.R.M.A. steht als Acronym für Positive Emotions, Engagement, Relationships, Meaning/Mattering und Accomplishment - ein Basismodell und Roter Faden der Positiven Psychologie.
(4) Positive Leadership, Erfolgreich führen mit PERMA-Lead: die fünf Schlüssel zur High Performance, Dr. Markus Ebner (1. Auflage 2019). ISBN 978-3-7089-1686-6
(5) Seit über 30 Jahren ist die "Gruft" Wiens wohl bekannteste Caritas-Einrichtung für obdachlose Menschen, https://www.gruft.at/
(6) Die Wissenschafterinnen Michaela Schaffhauser-Linzatti und Irene Kernthaler-Moser haben im Forschungsprojekt “COME-Cooperative Meetings” der Universität Wien untersucht, welche Probleme von Teilnehmenden in virtuellen Meetings beschrieben werden und wie man sie verbessern kann.https://genos.univie.ac.at/come/
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Last, but not least: Das Zitat “Other people matter”, das wir zum Titel unseres Blogs gemacht haben, ist von Prof. Dr. Christopher Peterson. (1950-2012, ehemaliger Arthur F. Thurnau Professor für Psychologie an der University of Michigan). Er war bekannt für dieses Motto. Aus seiner langjährigen Forschungsarbeit leitete Prof. Peterson ab, dass die meisten Faktoren, die im Zusammenhang mit dem Wohlbefinden eines Individuums stehen, mit anderen Menschen zu tun haben. Daraus schlussfolgerte er, dass man den Kern der Positiven Psychologie in einem Satz zusammenfassen kann: „Andere Menschen sind wichtig“.
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