Wie geht es dir wirklich? Soziale und emotionale Unterstützung im Team - Teil 1
- Susanne Bauer
- 6. März
- 6 Min. Lesezeit
Ein Blog-Artikel von Gabi Preßlinger-Bukovica und Susanne Bauer

In unseren bisherigen Artikeln haben wir viele Aspekte der Teamentwicklung beleuchtet: die Gestaltung der Zusammenarbeit, die gemeinsame Sinnfindung, den Aufbau von Vertrauen, das Miteinander und die psychologische Sicherheit. Immer stand die Frage im Mittelpunkt, wie Teams gestärkt werden, erfolgreicher zusammenarbeiten und mit Herausforderungen umgehen können – kurz gesagt: Wie Teamerfolg und Teamresilienz gefördert werden.
Ein entscheidender Faktor für Resilienz ist eine stabile, wertschätzende Beziehung zu mindestens einer anderen Person. Was auf individueller Ebene gilt, spielt auch für die Widerstandskraft eines Teams eine zentrale Rolle: Es geht um Verbundenheit und gegenseitige Unterstützung. Deshalb widmen wir die nächsten beiden Artikel essenziellen Bausteinen der Teamresilienz – der sozialen und emotionalen Unterstützung. Sie tragen maßgeblich zur Zufriedenheit, zum Wohlbefinden und zur mentalen Gesundheit im Team bei.
Raum für soziale Interaktionen schaffen
Soziale Interaktionen entstehen nicht zufällig – sie brauchen bewusst geschaffene Räume und eine Kultur, die Begegnungen fördert. Was macht ihr schon? Welche dieser Ideen könnte dein Team direkt umsetzen?
Gemeinsame Challenges in lockerer Atmosphäre, bei der Spass und Humor im Vordergrund stehen. Da bieten sich sportliche Events an und das Angebot ist groß. Firmenläufe zum Beispiel, sei es der Business Run oder der Wings4Life World Run für den guten Zweck. Dabei sein ist alles.
Gemeinsames soziales Engagement, wie z.B. Kochen in einer sozialen Einrichtung. Dieses und weitere von den Ladies4Future selbst erlebte Beispiele zum Nachahmen beschreiben wir in unserem Blog Artikel "Other People Matter".
Kleine Alltagsgesten, die den Teamzusammenhalt stärken, wie z.B.
bei der wöchentlichen Teambesprechung 5 Minuten für soziale Interaktion einplanen. Jeder darf reihum eine Frage stellen, die nicht direkt mit dem Business zu tun hat.
sich bewusst ein paar Minuten Zeit nehmen, mit jemandem zu sprechen, mit dem man beruflich wenig zu tun hat.
mich bei jemandem bedanken oder ein Kompliment machen oder jemandem ohne Gegenleistung einen Gefallen tun.
Bewusst geschaffene Räume und kleine Gesten können soziale Interaktionen nachhaltig stärken und das Miteinander im Team verbessern. Ob durch gemeinsame Erlebnisse, soziales Engagement oder wertschätzende Momente im Arbeitsalltag – jeder Beitrag wirkt. Neben Begegnungen und Austausch spielt auch Fürsorge eine zentrale Rolle: Wie können wir noch besser aufeinander achten und ein unterstützendes Umfeld schaffen?
Fürsorge – sich selbst und andere unterstützen
Eine Studie aus der Corona-Pandemie zeigt: Wenn Führungskräfte weniger Fürsorge für ihre Mitarbeitenden zeigen, sinkt auch die Fähigkeit der Mitarbeitenden zur Selbstfürsorge. In stressigen oder kritischen Situationen führt das zu einem Teufelskreis: Führungskräfte haben weniger Ressourcen für ihre Mitarbeitenden, wodurch deren Belastung steigt – und damit auch die Erschöpfung. Weniger Energie für die eigene Selbstfürsorge verschärft diesen Effekt weiter. (1)
Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, gibt es zwei Ansätze: Erstens sollte die Selbstfürsorge der Führungskraft gestärkt werden. Eine achtsame und resiliente Führung trägt dazu bei, dass die Unterstützung für Mitarbeitende nicht vernachlässigt wird. Zweitens liegt die Verantwortung für Fürsorge nicht nur bei Führungskräften – auch Teammitglieder können sich gegenseitig unterstützen. Dabei gilt: Wer in stressfreien Zeiten Fürsorge lebt, ist auch in herausfordernden Phasen besser darauf vorbereitet. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um Fürsorge zu üben und zu verankern.
Doch wie sieht gelebte Fürsorge im Team konkret aus? Unsere Ansatzpunkte:
Aufeinander achten
Echtes Interesse an den Kolleginnen und Kollegen zeigen, Empathie entwickeln und sich in andere hineinversetzen. Wer das Gefühl hat, dass es jemandem im Team nicht gut geht, sollte aktiv das Gespräch suchen – am besten persönlich und unter vier Augen. Eine einfache, aber wirkungsvolle Frage kann sein: "Wie geht es dir wirklich?" Durch offene Gespräche gewinnt man Einblick in die Situation der anderen. Wichtig ist dabei, keine Vermutungen oder Gerüchte aufzustellen – das richtet mehr Schaden an als gar kein Interesse. Stattdessen könnte man eine Kollegin oder einen Kollegen zu einem informellen Austausch bei einer Kaffeepause oder einem Mittagessen einladen. Um eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, hilft es, selbst etwas Persönliches zu teilen. Dabei gilt: Ein Gespräch ist immer ein Angebot – ein „Nein“ sollte als ehrliche Antwort akzeptiert werden.
Strukturierter Austausch im Team
Neben informellen Gesprächen kann auch ein klar strukturierter Austausch helfen, Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen. Ein Beispiel dafür ist die kollegiale Fallberatung. (2) Sie bietet einen festen Rahmen für den Austausch über schwierige Situationen – und sorgt gleichzeitig für ein besseres gegenseitiges Verständnis. Dabei schildert ein Teammitglied ein aktuelles Problem, für das es noch keine Lösung gefunden hat. In einem kurzen Interview werden relevante Details geklärt: Was ist das Ziel? Wer ist beteiligt? Welche Rahmenbedingungen gibt es? Danach stellt das Team Verständnisfragen, bevor es gemeinsam über den Fall berät – während die betroffene Person nur zuhört und Notizen macht. Zum Abschluss gibt es Feedback: Welche Ideen waren hilfreich? Welche Ansätze möchte die Person weiterverfolgen? Durch diesen Austausch gewinnen alle Teammitglieder wertvolle Einblicke in die Herausforderungen und Perspektiven der anderen.
Belastung und Überforderung erkennen
Selbstfürsorge beginnt bei jedem Einzelnen: Pausen einplanen, bewusst Ruhezeiten setzen und klare Grenzen für die Erreichbarkeit definieren. Ständige Unterbrechungen kosten Zeit und Energie – deshalb sollte man sich vor jeder Anfrage überlegen: Wie dringend ist das wirklich? Wann wäre der beste Zeitpunkt für ein Gespräch? Auch im Team hilft es, störungsfreie Arbeitszeiten zu vereinbaren und gegenseitig zu respektieren. Zudem sollten wichtige Informationen leicht zugänglich sein, um Abhängigkeiten und unnötige Rückfragen zu reduzieren. Mehr Infos und Ideen dazu gibt es in unserem Blog-Artikel “Other People Matter”.
Teamgrenzen schützen mit Buffering
Projektitis ausgebrochen ? Wir arbeiten gefühlt in 100 Projekten gleichzeitig. Könnte man annehmen wir arbeiten viel zusammen. Multiprojektkontexte werden häufiger, die Anzahl von abteilungsübergreifenden Projekten steigt in Summe und pro Mitarbeitenden gesehen enorm, wie Studien in einem Automobilkonzern schon 2015 herausgefunden haben. (3) Paradoxerweise geht dabei das Wir-Gefühl verloren!
Der Ansatz Team Boundary Management bietet Strategien zur Arbeit mit Teamgrenzen. Die TBM-Literatur (3) bietet 3 Wege zur konstruktiven Bearbeitung: Brücken bauen, Team abschirmen und Team nach innen stärken.
Sehen wir uns einen der 3 Wege in aller Kürze an, weil er uns für die emotionale und soziale Unterstützung in und für Teams hilfreich scheint (4):
Du bist Führungsperson und möchtest dein(e) Team(s) von zu vielen Anforderungen oder Informationen von außen schützen? Achte auf Möglichkeiten für deine Teammitglieder, abgrenzendes Verhalten nach außen zu fördern, zu belobigen und auch zu fordern.
Du bist Mitarbeitender / Teammitglied? Verteidige Teamziele und -aufgaben und tue dasselbe mit den Werten, vergiss nicht auf sie (ein guter Zeitpunkt zu prüfen: haben wir überhaupt Abteilungs-/Teamwerte? wer kennt diese ? identifizieren wir uns damit ? leben wir sie ?)
Beide Rollen - und noch eine dritte in Form von Personalverantwortlichen, wenn organisatorisch so angelegt -- können auch so beitragen, indem sie "Wer macht hier was"-Wikis fördern.
Alle 3 Wege scheinen uns richtig und wichtig. Es gilt eine Balance zu schaffen, die sowohl abgrenzt und gleichzeitig mit anderen verbinden kann.
Verbundenheit und Wir-Gefühl
Die Forschungsergebnisse von Seligman und Kellerman (5) unterstreichen die zentrale Rolle von Verbundenheit und einem starken Wir-Gefühl für den Erfolg und das Wohlbefinden von Teams in der modernen Arbeitswelt. Gemäß dem von ihnen entwickelten Tomorrowmind Konzept und zugrundeliegender Forschungsarbeit der Positiven Psychologie für die moderne Arbeitswelt wird Verbundenheit durch einen Faktor des darin beschriebenen P.R.I.S.M. Modells (6) besonders gesteigert. Der Buchstabe S in P.R.I.S.M. steht für “Social Rapport” (auf Deutsch: Soziale Kompetenz), was den raschen Aufbau von sozialer Verbundenheit für das Anzapfen von Unterstützung bedeutet. Somit können fehlende Zeit, zu wenig gemeinsamer Raum und das Wir/Sie-Denken als größte Barrieren überwunden werden.
Fazit
Eine starke Teamresilienz basiert auf sozialer und emotionaler Unterstützung. Bewusst geschaffene Räume für Interaktionen, wertschätzende Alltagsgesten und eine Kultur der Fürsorge tragen maßgeblich zur psychologischen Sicherheit und zum Wohlbefinden im Team bei. Führungskräfte und Teammitglieder gleichermaßen sind gefordert, durch Selbstfürsorge, aktives Zuhören und strukturierte Reflexionsformate wie kollegiale Fallberatungen eine unterstützende Umgebung zu schaffen.
Zudem zeigt sich, dass klare Teamgrenzen und Strategien zur Abgrenzung helfen, Überforderung zu vermeiden, ohne die Verbundenheit mit anderen Teams zu verlieren. Das von der Positiven Psychologie geprägte Konzept des "Social Rapport" unterstreicht die Bedeutung sozialer Kompetenz für ein starkes Wir-Gefühl. Letztlich sind Resilienz und Teamerfolg das Ergebnis von gelebter Fürsorge, gemeinsamer Werte und bewusst gestalteter Verbindungen. Wer heute in diese Faktoren investiert, stärkt nicht nur das eigene Team, sondern auch die Zukunftsfähigkeit der gesamten Organisation.
Fortsetzung folgt! In Teil 2 von “Wie geht es dir wirklich?” geht es weiter mit sozialer und emotionaler Unterstützung. Wir schauen uns dabei besonders Gefühle im Business an: was sie da verloren haben und was geschieht - oder auch nicht - wenn die anderen wissen, wie es dir geht.
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Gesundheitsorientierte Führung in Krisensituationen, L. Klebe, J. Felfe, K. Klug aus Handbuch Mitarbeiterführung, Hrsg. Jörg Felfe, Rolf van Dick, 2. Auflage 2023, Springer Berlin, ISBN 978-3-662-68184-8
Ein Stacheldraht um dein Team – oder lieber Brücken? | Neues von Christian Thiele | positiv-fuehren.com, Newsletter 19.11.2024
Bruch, H., Leicht-Deobald, U. & Mainert, J. (2015). Team Boundary Management: Wie man Teams vor Überforderung schützt. Zeitschrift für Führung und Organisation. 5/2015. 314-318. | Multiprojektkontexte wurden dort immer häufiger (z.B. Mitarbeiter aus R&D zusammen mit jenen von Design, Controlling, Produktion, Marketing…). 1200 MA arbeiteten in 7000 solchen abteilungsübergreifenden Projekten (also durchschnittlich 5/MA mit 30 Projekten als Spitzenwert. Als Folgen entstanden ein Mangel an Wir-Gefühl, die Gefahr der Überforderung, Schwierigkeiten der Priorisierung.
Seligman Martin, Rosen Kellerman Gabriella, Tomorrowmind: Das Toolkit für mentale Stärke, Gesundheit und mehr Freude an der Arbeit, 2023, ISBN 978-3424202649
Fünf Säulen beschreiben einen klugen Weg für Wachstum und Wohlbefinden. Gemeinsam ergeben sie das Akronym P.R.I.S.M.: Prospektion, Resilienz, Innovation & Kreativität, Soziale Kompetenz, Mattering
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